Gendermedizin und Selbstdarstellung Verein & Verband LACHESIS

Ein Lesetipp Der Haug Verlag ist Herausgeber der Deutschen Heilpraktiker Zeitschrift – DHZ. Die neueste Ausgabe 5.2022 hat den Schwerpunkt Gendermedizin. Dr. Hildegard Seidl, Fachreferentin […]

Ein Lesetipp

Der Haug Verlag ist Herausgeber der Deutschen Heilpraktiker Zeitschrift DHZ. Die neueste Ausgabe 5.2022 hat den Schwerpunkt Gendermedizin. Dr. Hildegard Seidl, Fachreferentin für Gendermedizin und Pflege an der München Klinik, beantwortet Fragen, die z. B. auch im HP-Beruf relevant sind. Weitere Themen dieser Ausgabe sind Pharmakologie und Gendermedizin, Medikamentenwirkung bei Männer und Frauen, Faszienverhältnisse von Uterus und Prostata, Frauenherzen schlagen anders, Behandlung von Trans* und Nicht-Binären Personen. Die Artikel können auch einzeln online gekauft werden, link s. u..

Eine Selbstdarstellung von Verein und Berufsverband ist auf Seite 10 zu lesen. Wir veröffentlichen diese mit freundlicher Genehmigung der DHZ:

NACHGEFRAGT

Was ist Lachesis e.V. und wofür steht der Verein/Berufsverband?

Lachesis: Der Verein Lachesis e.V. wurde im Oktober 1986 mit dem Ziel gegründet, eine frauenorientierte, feministische Naturheilkunde zu fördern, Frauen in ihrem Beruf als Heilpraktikerinnen zu vertreten, den Austausch von Heilpraktikerinnen untereinander anzuregen und die weibliche Tradition des Heilens zu wahren und zu erweitern. Der Berufsverband wurde als Zweckbetrieb des Vereins geführt. Im Mai 2019 haben wir den Berufsverband LACHESIS als eigene juristische Person neu gegründet, um die berufsverbandliche Arbeit klar von der Arbeit des Vereins, der sich jetzt „Feministischer Verein zur Förderung von Frauen*gesundheit und ganzheitlicher Heilkunde, Lachesis e.V.“ nennt, zu trennen. Der Verein spricht alle Menschen an, die Frauengesundheit und ganzheitliche Heilkunde stützen und fördern wollen. Die Mitfrauen des Berufsverbandes bilden ein Netzwerk von Heilpraktikerinnen sowie Heilpraktikerinnen für Psychotherapie. Verband und Verein sind mit Fraueninitiativen aus dem gesundheitspolitischen Spektrum verwoben und nutzen diese Netzwerke um sich für eine frauenorientierte, feministische Gesundheitspolitik einzusetzen und um die Anerkennung des Berufsstandes der Heilpraktikerinnen auch in Zukunft zu sichern.

DHZ: Was verstehen sie unter „frauenorientierter, feministischer Naturheilkunde“ und wie fördern Sie diese?

Lachesis: Seit 40 Jahren fordert die Frauengesundheitsbewegung das Recht der Frauen über ihre eigenen Körper zu bestimmen. Doch aus einigen Frauenforderungen wurden Wirtschaftsinteressen: Hormonmedikation, Reproduktionsmedizin, Vermarktung von Körperidealen sind Bereiche, die v. a. Frauen betreffen, aber von der „Gesundheitsindustrie“ stark dominiert werden. Gendermedizin ist immer noch nicht teil der Ausbildung in medizinischen Berufen. Frauen sterben an falschen Diagnosen und falscher Medikation. Die Zyklen des weiblichen Körpers, die Einfluss haben auf den Zellstoffwechsel, die Verdauung, das Herz-Kreislauf-System, werden immer noch nicht ausreichend berücksichtigt. Eine feministische Haltung achtet die unterschiedlichen Lebensweisen und sexuellen Identitäten von Menschen. Sie achtet auch das Recht auf Selbstbestimmung bei Krankheit und Tod, denn Krankheit kann ein wichtiger Schritt in der persönlichen Entwicklung sein. Wir würdigen den Zyklus von Werden, Wachsen und Vergehen. Wir verstehen Gesundheit, Krankheit und Tod als Teil dieses Prozesses. Wir achten im Miteinander die Würde jeder/jedes Einzelnen und schätzen die Einzigartigkeit jeder Patientin*/jedes Patienten*. Das bedeutet kulturelle, religiöse, spirituelle Unterschiede, sexuelle Identität und Orientierung jeder Person anzuerkennen und auch die Heteronormativität in Frage zu stellen. Wir ermutigen jede Patientin*/jeden Patienten*, eigene Ressourcen zu erschließen und Potenziale zu entfalten. Wir schätzen die heilenden Kräfte in der Natur und in uns allen. Wir respektieren jeden Heilungsweg in seiner Einmaligkeit. Wir wissen um die Wirksamkeit unserer Methoden und stehen für Therapievielfalt und -freiheit. Wir Heilpraktikerinnen* tragen mit allen unseren Therapieformen einen großen Teil zur Gesundheitsversorgung in Deutschland bei.

DHZ: Wie kann ein frauenorientiertes Gesundheitssystem aussehen?

Lachesis: Heute sehen wir auf der einen Seite die Erde in der ökologischen Krise von Übernutzung, Verschwendung, chemischer Vergiftung und in der Folge Massenaussterben von Arten. Auf der anderen Seite erleben wir, wie patriarchale Autokraten zum einen Kriege führen gegen die nötigen ökologischen Umstellungen und zum anderen versuchen, die erkämpften Frauenrechte insbesondere im selbstbestimmten Gesundheitsbereich weiter abzuschaffen! Dies umso mehr, da die Medizin weiter technisiert wird. Zusammen mit High- und Gentechnik wird nur diese als wissenschaftlich gefördert und als das „rettende Medizinwunder“ hingestellt. Hier werden Abhängigkeiten geschaffen, statt selbstbestimmtes Handeln in Bezug auf den eigenen Körper, das Wissen um seine Regulations- und Heilungsfähigkeit in Verbindung mit allem, was uns die Natur, deren Teil wir sind, als Lösungsweg aufzeigt. Biopiraterie und Missbrauch von indigenem Heilpflanzenwissen sowie die Patentierung von Pflanzenwirkstoffen und tierischen Bestandteilen lehnen wir entschieden ab. Arzneimittel müssen zu erschwinglichen Preisen Menschen weltweit zur Verfügung stehen. In den 1980er-Jahren wurde eine linke und feministische Gesundheitsbewegung in der BRD sichtbar, die u. a. auf der Reflexion des Erbes der NS-Herrschaft in Medizin und Gesellschaft fußte. Die Emanzipation von patriarchal-autoritärem Denken, einer medizinischen Fließband-Versorgung und deren Folgen – iatrogene Schäden und Todesfälle – zeichnete sich aus durch die Forderung nach Selbstbestimmung über den eigenen Körper von Frauen. Die Frauengesundheits- und Selbsthilfebewegung wurde geboren. Inhalt dieser Bewegung war auch die ökologische Kritik an einem konsumorientierten Bezug zur Natur sowie dem Reduktionismus in der Medizin. Neben der Thematisierung von häuslicher Gewalt und sexueller Selbstbestimmung, Gewalt in der Geburt, Stillbewegungen, begannen Pflegende, Ärztinnen* und Therapeutinnen* alternative Heilmethoden zu suchen und ein ganzheitliches, politisches und soziales Verständnis von Gesundheit einzufordern. Die UN-Dekade der Frauen von 1976–1985 brachte vielfältige emanzipatorische Impulse aus der Frauengesundheitsbewegung in den Prozess, der zur UN-Charta von Ottawa führte. Ein frauenorientiertes naturheilkundliches Gesundheitssystem bedeutet: Förderung der Wahrnehmung des eigenen Körpers, Beachtung der Individualität, Integration der Gendermedizin, der Achtsamkeit gegenüber den eigenen und der Grenzen anderer, Selbstbestimmung über den eigenen Körper, stützen statt manipulieren, vernetzen statt abgrenzen, gemeinsames lernen und reflektieren der Gegenwart im Bewusstsein der Menschheitsfamilie.

Aktuell. DHZ – Deutsche Heilpraktiker Zeitschrift,

2022; 5: 4–11 | © 2022. Thieme. All rights reserved

Deutsche Heilpraktiker Zeitschrift DHZ

Ausgabe 5-2022

Haug Verlag

Sigrid Schellhaas
Heilpraktikerin bei Praxengemeinschaft Da Sein | +49 (0)171 3145590 | Website der Autorin

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