Patientinnen wollen mit-reden – Ergebnisse einer qualitativen Studie zur Entscheidungsfindung von Brustkrebspatientinnen

Patientinnen, die die Diagnose Brustkrebs bekommen, wünschen sich fachkompetente und zugewandte Personen, um über die anstehenden Entscheidungen und Behandlungen reden zu können. In ihrer Studie untersuchte Regina Stolzenberg betroffene Patientinnen und wie sie Entscheidungen im normalen medizinischen Alltag bezüglich ihrer Behandlung fällen.

Vorwort von Nina Schernus, FFGZ Berlin

Feministisch, kritisch, empathisch: Seit den 1970er Jahren setzt sich das Feministische Frauengesundheitszentrum (FFGZ) Berlin für eine selbstbestimmte, frauenbezogene Gesundheitsversorgung ein. Gegründet im Zuge der Frauengesundheitsbewegung versteht sich das FFGZ als Gegenentwurf zur oft bevormundenden und patriarchal geprägten Schulmedizin. Hier werden Frauen als Expertinnen für ihren eigenen Körper gesehen. In seiner täglichen Arbeit bietet das Zentrum Information, Beratung und Begleitung. Frauen werden in ihren Entscheidungen gestärkt und ihnen Zugang zu verständlich aufbereiteter, kritischer Gesundheitsinformation ermöglicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Zeitschrift Clio. Zeitschrift für Frauengesundheit, die vom FFGZ Berlin herausgegeben wird. Sie bietet eine Plattform für kritische Perspektiven auf das Gesundheitssystem, Erfahrungsberichte und feministische Gesundheitsforschung.

Die Arbeit des FFGZs ist Teil eines größeren Zusammenhangs: Die feministische Frauengesundheitsbewegung hat in ganz Deutschland zahlreiche Frauengesundheitszentren (FGZs) hervorgebracht, die bis heute wichtige Arbeit leisten – mit Angeboten der Beratung, gesundheitspolitischen Bildungsarbeit und Aufklärung, unabhängig und parteilich mit den Ratsuchenden.

Regina Stolzenberg, die Autorin des folgenden Artikels, war von 1982 bis 1997 eine engagierte Kollegin im FFGZ Berlin. Sie hat dort wichtige Themen mit- und weiterentwickelt und gesundheitspolitische Impulse gesetzt. In ihrem Beitrag „Patientinnen wollen mitreden“ beleuchtet sie eindrücklich, wie zentral eine gleichberechtigte Kommunikation zwischen Patientinnen und Behandelnden ist – und warum feministische Gesundheitsarbeit bis heute nichts von ihrer Relevanz verloren hat.

Artikel Regina Stolzenberg „Patientinnen wollen mit-reden“

Was passiert, wenn sich Frauen nach einer Brustkrebsdiagnose plötzlich vor schwerwiegende Therapieentscheidungen gestellt sehen? Was empfinden sie? Wie handeln sie? Wie selbstbestimmt sind ihre Entscheidungen? Anlässe, solche Fragen zu stellen, ergaben sich sowohl in meiner früheren Arbeit im Feministischen Frauen-Gesundheits-Zentrum Berlin als auch während meiner Mitarbeit in Brustkrebsorganisationen Ende der neunziger Jahre. Ich erlebte dabei Ohnmacht, aber auch Selbstbewusstsein und Eigeninitiative von Frauen als Patientinnen. Daraus erwuchs die Idee, eine wissenschaftliche Studie durchzuführen, um diesen Fragen systematisch nachzugehen und zu schauen, in welche Richtung die Entwicklung heute geht.

Neue Entwicklung im Verhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen

Der Wunsch nach Selbstbestimmung über den eigenen Körper war der zündende Funke, aus dem zu Beginn der siebziger Jahre die Frauengesundheitsbewegung hervorging. Dies geschah zu einer Zeit, als die Schulmedizin noch unangefochten patriarchale Züge trug und Patient*innen zu Unmündigen degradierte. Einige Jahre später hatte dieser Funke auch die westliche Medizin erreicht. Die wissenschaftliche Diskussion um ein verändertes Verhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen begann im englischen Sprachraum bereits in den achtziger Jahren. Unter dem Schlagwort „shared decision making (SDM)“ wurde ein Modell der gemeinsamen Entscheidungsfindung entwickelt. Es versteht sich als Alternative sowohl zur traditionell passiven Rolle von Patient/innen, bei der die Ärzt*innen allein wissen und entscheiden, was gut und richtig für die Patient*innen ist, als auch zu einer autonomen Rolle, bei der die „informierte Entscheidung“ von den Patient/innen als „Verbraucher*innen“ von Gesundheitsleistungen allein getroffen wird.1

In Deutschland wurde dieser Impuls erst 2001 mit der Einrichtung des Forschungsschwerpunkts „Der Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess“ aufgegriffen, eine Initiative der damaligen Gesundheitsministerin Andrea Fischer. An zehn Zentren in der gesamten Bundesrepublik wurden Forschungsprojekte durchgeführt, in denen Patient*innen mit unterschiedlichen Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Brustkrebs oder Depressionen ebenso wie deren Ärzt*innen durch Fortbildungen oder Entscheidungshilfen zu gemeinsamen Therapieentscheidungen angeregt und Instrumente zur Messung der Beteiligung eingesetzt wurden.2 Parallel dazu, aber unabhängig davon, entwickelte und beantragte ich mein eigenes Forschungsprojekt. Der Antrag wurde von der Deutschen Krebshilfe positiv beschieden und das Projekt im Zeitraum von 2004 bis 2006 gefördert und durchgeführt.

Das Forschungsprojekt „Entscheidungen von Brustkrebspatientinnen“

Die Studie „Entscheidungen von Brustkrebspatientinnen im Verlauf ihres Behandlungsprozesses“ untersucht, wie Entscheidungen im normalen medizinischen Alltag fallen, ohne dass – wie in den oben beschriebenen Projekten – Entscheidungshilfen oder speziell geschulte Ärzt*innen eingesetzt worden sind. Ausgangspunkt meiner Fragestellung ist der formalrechtliche Tatbestand, dass jede Behandlung ohne ausdrückliche Zustimmung der Patientin eine Körperverletzung darstellt. Mich interessierte unter anderem, welche Rolle die Einstellungen der Patientinnen, die erhaltene oder selbst beschaffte Information, das Versorgungssystem und das soziale Umfeld spielen und natürlich auch, wie selbstbestimmt die getroffenen Entscheidungen sind. Dazu befragte ich in ausführlichen Interviews 21 Brustkrebspatientinnen und 14 Expert*innen. Durch verschiedene Zugänge konnte ich Frauen aus allen Bildungsschichten und Altersgruppen aus Berlin und dem Umland erreichen. Es handelte sich durchweg um Ersterkrankungen im nicht fortgeschrittenen Stadium. Die Expert*innen stammten aus den Bereichen der klinischen und ambulanten Medizin, der Reha, Selbsthilfe, Beratung und der naturheilkundlichen Behandlung. Im Folgenden einige Ergebnisse.

Beteiligungswünsche und Patientinnenaktivität

Befragt, ob sie die Entscheidungen allein treffen, der Ärzt*in überlassen oder gemeinsam mit den Behandelnden treffen wollten, wünschte die Mehrheit der Frauen aus allen Bildungsschichten eine Entscheidungsbeteiligung, und zwar vor allem in Form gemeinsamer Entscheidungen. In der Praxis geschah es allerdings laut Aussage der Befragten fast nie, dass die Bereitschaft dazu von ärztlicher Seite ausging. Nur in einem Fall empfand die Patientin die Behandlungsempfehlungen „wie ein Angebot“, wie sie selber erstaunt feststellte. In allen anderen Fällen kam es nur dann zu gemeinsamen Entscheidungsprozessen, wenn die Patientin sich ausdrücklich dafür einsetzte.

Manche Frauen wurden von Anfang an von sich aus aktiv und stellten damit die Weichen für eine für sie gute Behandlung. Bei ihnen fand ein mehr oder weniger langer Entscheidungsprozess statt (der manchmal auch kurz und intensiv sein konnte), bevor sie sich in ärztliche Hände begaben. Dabei nutzten sie ihr soziales Umfeld oder holten zweite Meinungen ein. Bei anderen war diese Aktivität vor der Operation nicht freiwillig gewählt, sondern wurde erst durch negative Erfahrungen bei der Brustkrebsdiagnose oder -therapie ausgelöst: übersehene Knoten, Andeutungen statt klarer Information oder andere Kommunikationsmängel führten in einigen Fällen zu eigenständiger Suche und zum Arztwechsel. Wieder andere begaben sich in Behandlung – aus Überzeugung oder mangels Alternativen – und folgten dem von der Schulmedizin vorgegebenen „Trampelpfad“ (O-Ton Expertin).

Etliche dieser Frauen wussten sich aber zu helfen oder zu wehren, wenn ihre elementaren Interessen betroffen waren. Dies traf auch auf solche zu, die aus unteren Bildungsschichten kamen. So setzte sich eine Frau gegen das Drängen des Arztes durch und verschob den Operationstermin um vier Wochen, um ihren 70. Geburtstag wie geplant feiern zu können. Eine andere Frau mobilisierte ihre gesamte Familie, Eltern, Mann und Kinder, um sich den Ärzten bei der Therapieempfehlung nicht hilflos ausgesetzt zu fühlen.

Die Mehrheit der Patientinnen aller Altersgruppen und Bildungsschichten suchte bereits vor der Behandlung nach Information. Sie diente der Entscheidung oder der Rückversicherung, manchmal aber auch nur dem Ziel, die Behandlungsschritte nachzuvollziehen, um sie dadurch zu ihrer eigenen Angelegenheit zu machen. Nur wenige Frauen überließen ihre Behandlung ganz der Schulmedizin, der sie völlig vertrauten, und setzten ihre Hoffnung dabei in den wissenschaftlichen Fortschritt. Auffällig ist, dass diese meist aus der ehemaligen DDR stammen; zwei von ihnen hatten Mütter, die an Brustkrebs gestorben waren.

Eine Frage des Vertrauens

Vertrauen in die Einzelnen, aber auch in das Versorgungssystem, war letztlich für alle Befragten das zentrale Motiv, das ihre Entscheidungen und ihren Behandlungsweg beeinflusste: Frauen mit einer generell kritischen Haltung gegenüber der Schulmedizin oder mit negativen Vorerfahrungen mit der
medizinischen Versorgung verhielten sich anders als diejenigen, die ein Grundvertrauen hatten.

Die schlechtesten Ausgangsbedingungen hatten die Frauen, die kein Vertrauen hatten, eher skeptisch waren, aber keine Alternative zu der angebotenen Behandlung sahen. Zu ihnen gehören Frauen aus unteren Bildungsschichten, aber auch andere, die nicht über die Systemkenntnis verfügten, um Zugang zu gewünschter Information und besseren Behandlungsorten zu haben. Vertrauen spielte auch beim Einholen von Information eine Rolle; meist war die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle subjektiv wichtiger als der Inhalt der Information.

Unterschiedliche Orientierungen

Ausschlaggebend für die Zufriedenheit mit dem Behandlungserfolg war letztendlich aber weder der Grad der Aktivität noch das Vertrauen, sondern ein weiteres Merkmal, nach dem sich die Studienteilnehmerinnen unterschieden: nach ihrer Handlungs- oder Gesprächsorientierung.

Während die Handlungsorientierten auf eine möglichst schnelle Behandlung drängten („Sofort eingreifen!“) und sich damit im Einklang mit dem Medizinbetrieb befanden, brauchten die anderen Frauen eher Zeit für ihren Entscheidungsprozess, um durch Gespräch, Austausch und Abwägung von Alternativen das Gefühl zu haben, hinter der Behandlung stehen zu können („Wenn ich nicht sicher bin, hilft es auch nicht.“). Während bei der ersten Gruppe das Vertrauen in die Schulmedizin überwog, gab es bei der zweiten Gruppe häufiger Skepsis oder Misstrauen. Letztlich ging es Frauen beider Gruppen intuitiv um die richtigen Schritte in der Wiedererlangung ihrer „innerer Sicherheit“ (O-Ton Expertin): die einen durch einen kommunikativen Entscheidungsprozess bei der Wahl der für sie richtigen Behandlung, die anderen durch die schnelle Entfernung des sie bedrohenden Tumors. Dahinter stehen unterschiedliche Glaubenssysteme, die hier aber nicht Gegenstand der Analyse sind.

Die Handlungsorientierten tendierten zur Beschränkung von Information und Alternativen, die Gesprächsorientierten suchten sie, wobei die Informationssuche häufig der Anlass war, um Gesprächspartner/innen zu finden, von denen sie Kompetenz und Empathie erwarteten. In dem auf schnelles, rationales Handelnorientierten Gesundheitssystem mit seinem Zeit- und Konkurrenzdruck begegneten sie solchen Fachleuten allerdings eher selten oder erst nach mühsamer Suche. Es wundert von daher nicht, dass alle gesprächsorientierten Frauen nur eine eingeschränkte Behandlungszufriedenheit zeigten, während alle Handlungsorientierten überwiegend zufrieden waren.

Für die Gruppe der gesprächsorientierten Frauen war das soziale Netz von besonders großer Bedeutung, sofern es ihnen Austauschmöglichkeiten bot. Gleichzeitig genügte es in der Regel ihren fachorientierten Ansprüchen nicht. Eine Ausnahme stellten Betroffene oder Ärzt*innen aus dem Bekanntenkreis dar. Auch wenn die Befragten oft keinen direkten Rat von ihnen nahe stehenden fachfremden Personen wünschten, so übte doch deren Meinung – z. B. für oder gegen Chemotherapie – einen indirekten Einfluss auf die Entscheidungen mancher Frauen aus.

Auswirkungen auf die Krankheitsbewältigung

Während ein Teil der gesprächsorientierten Frauen die Mängel des Systems durch ihre Eigenaktivität kompensierte, blieb ein anderer Teil erfolglos bei der Suche nach Informationen und Ansprechpartner*innen des Vertrauens. Sie litten unter dem Zeit- und Behandlungsdruck, den sie selbst empfanden, und der zumeist vom Behandlungssystem verstärkt wurde. Manchmal fehlten ihnen die Ressourcen, um an Informationen zu kommen oder sie scheiterten an zufälligen Umständen: die Telefonnummer war falsch, das Beratungstelefon nicht besetzt oder der Gynäkologe in Urlaub. Aber selbst da, wo Patientinnen Zugang zu Information und Beratung erhielten, konnte es passieren, dass nicht adäquat auf ihr Anliegen eingegangen wurde: Für ihr Gesprächsbedürfnis war nicht genügend Zeit vorhanden oder es wurde unzutreffend als Informationsbedürfnis interpretiert. So erhielten Frauen Informationen, die sie eher verwirrten oder die ihnen sogar psychisch schadeten.

Einer Erkrankten, die etliche medizinische Meinungen einholte, wurde ungefragt eine schlechte Prognose mitgeteilt, eine Information, die, wie sie sagte, „man nie mehr aus dem Kopf kriegt, ob man will oder nicht“. Die beschriebenen Frauen hatten in der Folge meist eine schlechtere Krankheitsbewältigung, litten unter Depressionen oder starken Nebenwirkungen des eingenommenen Antihormon-Präparates, was bei den erfolgreich aktiven Frauen nicht der Fall war. Diese psychischen und körperlichen Folgen belasteten nicht nur die Patientinnen selber, sondern auch die Gesundheits- und Sozialsysteme.

Die meisten Studienteilnehmerinnen wünschten sich letztlich einen gemeinsamen und gleichberechtigten Entscheidungsprozess mit den Behandelnden, in den sie ihre Wünsche und Bedürfnisse einbringen können. Das aber stellt im deutschen Gesundheitssystem offenbar eine Ausnahmeerscheinung dar, wie auch die Expert*innen in ihren Aussagen bestätigen.

Die Bedeutung von Naturheilkunde und Komplementärmedizin

Unmittelbar nach der Diagnose oder in der Primärbehandlung zeigte kaum eine Frau Interesse an Therapieoptionen außerhalb der schulmedizinischen Behandlung. Lediglich eine Patientin, bei deren brusterhaltender Operation der Tumor nicht vollständig beseitigt worden war, erwog ernsthaft, sich der chinesischen Medizin anzuvertrauen, um eine Amputation zu vermeiden. Dafür war sie bereit, sogar nach China zu fahren, entschloss sich aber letztendlich dagegen und für die Brustentfernung. Zwei andere zeigten Interesse an biologischen Methoden als Alternative zur Chemotherapie, wagten es aber wegen der ablehnenden Haltung ihres sozialen Umfeldes nicht, sich dafür zu entscheiden. Eine der beiden Frauen fühlte sich deswegen regelrecht zerrissen, da ihr Naturheilarzt wiederum die Chemotherapie radikal ablehnte. Eine Frau, die sonst regelmäßig die Naturheilkunde nutzte, gab an, dass ihr „Bedürfnis nach Alternativmedizin doch ziemlich gestört wurde durch die Angst“.

Nach Abschluss der (schul)medizinischen Behandlung gab es dagegen kaum eine Befragte, die nicht das eine oder andere Mittel der Komplementärmedizin anwandte.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Die vorliegenden Ergebnisse geben einen Einblick in die Gedankenwelt und Logik von Frauen, die sich vor schwerwiegende gesundheitliche Entscheidungen gestellt sehen. Sie zeigen, dass Patient*innen heute offenbar ein Handlungsrepertoire haben, um gemäß ihrem eigenen Anspruch und Bedürfnis mitreden zu können und ihre Interessen einzubringen.

Mitzureden heißt dabei für einen Teil der Patientinnen vor allem auch, fachkompetente und zugewandte Personen zu finden, um über die anstehenden Entscheidungen und Behandlungen reden zu können und sie sich darüber „anzueignen“.3 Obwohl für die handlungsorientierten Frauen die schnelle Behandlung im Vordergrund steht, profitieren auch sie von einem empathischen Kommunikationsstil, Gesprächsangeboten und einem Verzicht auf Zeitdruck. Für Frauen mit einer Gesprächsorientierung sind diese Bedingungen dagegen von essentieller Bedeutung, um ihnen eine Möglichkeit emotionaler Stabilisierung noch vor der Behandlung zu bieten.

Das schulmedizinische Versorgungssystem bot dafür in der Vergangenheit kaum einen Ort. Durch die Einführung von Breast Care Nurses in manchen Kliniken hat sich die Situation innerhalb des Systems inzwischen etwas verbessert.

Den meisten Patientinnen geht es nicht um eine Vielzahl von Optionen, sondern hauptsächlich darum, „in guten Händen“ zu sein. Dem Übergang ins Behandlungssystem, also der Bahnung der Behandlung, kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Sie sollte auf einem „Pfad des Vertrauens“ erfolgen, also über Professionelle, zu denen sie Vertrauen aufgebaut haben.

Auch Heilpraktiker*innen können dabei eine wichtige Rolle als kompetente Gesprächspartnerinnen ihrer Patientinnen spielen, wenn sie über Behandlungseinrichtungen und -möglichkeiten informiert und bereit sind, die Frau auf ihrem eigenen Weg auch durch die Schulmedizin zu begleiten. Beim Abwägen von Optionen gegen schulmedizinische Empfehlungen sollte das enge soziale Umfeld und seine Orientierung nicht vernachlässigt werden, denn die Erkrankten können auf seine Unterstützung nicht verzichten. Sowohl die Erfahrungen der Selbsthilfe als auch die Kompetenz der naturheilkundlichen Angebote scheinen in den ersten Behandlungsphasen eher wenig genutzt zu werden, da sie von den Neuerkrankten nicht als zuständig wahrgenommen werden. Heilpraktiker*innen mit gewachsenen, vertrauensvollen Beziehungen zu ihren Patientinnen sind auch in der ersten schwierigen Zeit nach der Diagnose gute Ansprechpartner*innen in den anstehenden Entscheidungsprozessen, wenn sie ihre Kompetenz in dieser Hinsicht rechtzeitig signalisieren.

Hinweis:
Dieser Artikel erschien in der Fachzeitschrift LACHESIS Nr. 40 „Frauenspezifische Krebserkrankungen“.
Die Zeitschrift kann beim Berufsverband für Heilpraktikerinnen LACHESIS bestellt werden:

Literatur:
1 Vgl. Klemperer, David: Wie Ärzte und Patienten Entscheidungen treffen. Konzepte der Arzt-Patient-Kommunikation. WZB discussion papers. Berlin, 2003
2 http://www.patient-als-partner.de (letzter Abruf 15.09.2010)
3 Kirschning, Silke: Brustkrebs. Der Diagnoseprozess und die laute Sprachlosigkeit der Medizin. Eine soziologische Untersuchung. Leske + Budrich 2001

Regina Stolzenberg

Regina Stolzenberg war Soziologin, Feministin, Wissenschaftliche Assistentin an der Berlin School of Public Health und langjährige Mitarbeiterin im FFGZ Berlin. Sie verstarb im Oktober 2024 im Alter von 73 Jahren.

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