30 Jahre Christel Göttert Verlag – Literatur von Frauen für die Welt

Im Sommer 2022 wurde der Göttert Verlag 30 Jahre alt. Ein Verlag für Frauenliteratur von Frauen, dies war 1992 war noch sehr neu. Da ein Livetreffen für ein Interview leider ausfiel, hatte ich mit Christel vereinbart, dass sie ein paar Fragen zur Geschichte ihres Verlages per “Post” beantwortet.

Hier nun unser kleines Interview zum Nachlesen und vielen Dank an Christel für die spannende Beantwortung und vor allem alles Gute zum Dreißigsten!

Liebe Christel,

dreißig Jahre sind eine beachtliche Zeit. Zunächst würde mich interessieren, wie kam es dazu, dass du so einen Verlag gegründet hast?

Vor der Überlegung, mit einem Verlag frauenpolitisch zu wirken, standen 15 Jahre intensiver Austausch vor allem mit Frauen bei der Gründung eines Frauenhauses, eines Frauenzentrums, dem Kinderschutzbund und Wildwasser in Rüsselsheim. In den frauenbewegten 80er-Jahren machte ich 8 Jahre als Stadtverordnete reichlich kommunalpolitische Erfahrungen und gewann immer wieder die Erkenntnis, dass trotz starkem feministischem Engagement der Frauen in der Stadt, die Sicht der Frauen auf die Welt bei politischen Entscheidungen kaum eine Rolle spielte. So legte ich 1992 als Fünfzigjährige mit der Gründung des Verlages meinen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Frauenwelten in Geschichte, Philosophie, Politik, Kunst, Kultur und Gesundheit. Das erst Buch zeigte in einer Dokumentation Ausstellungen von Künstlerinnen, deren öffentliche Wahrnehmung im Verhältnis zu Männern bei 1 zu 9 lag. „frauen-art“ machte also den Anfang.

Überall die vielen Jahre, wer und welche Menschen haben dich unterstützt?

Von Anfang an suchte ich die Unterstützung bei freischaffenden Kolleginnen wie Grafikerinnen, Setzerinnen, Lektorinnen und Übersetzerinnen, auf deren Interesse für Frauenthemen ich bauen konnte. Seit über 20 Jahre steht mir die engagierte und kenntnisreiche Lektorin Bettina Bremer zur Seite, wodurch die Durcharbeitung und die Vertiefung in die Manuskripte für uns selbst ein stetiges und anregendes Wachsen ermöglicht.
Ohne die ständige Unterstützung meines Mannes – der dafür oft Häme einstecken durfte – hätte ich nicht durchhalten können.

Was waren besonders lehrreiche Erfahrungen?

Dass der Aufbau unserer Gesellschaft fast ausschließlich auf den Gedanken von männlichen Philosophen beruht, wurde mir Stück für Stück immer klarer. Mit der Entdeckung der Philosophinnen (neben den deutschen besonders aus Italien und Frankreich) und ihrem Blick auf die Welt ging eine große Befreiung für mich einher und die Lust, davon mehr zu verbreiten, wuchs mit jedem Buch.
Ähnlich ging es mir mit der Matriarchatsforschung, die uns mit früheren Lebensweisen vertraut macht (sie ist in über 200 Gesellschaften bis heute vorhanden) und mit dem Märchen aufräumt, dass Menschen schon immer gewalttätig und die Gesellschaft schon immer patriarchal gewesen wäre, also auf der Macht von Männern aufbaute. Eine andere Welt ist möglich.
Mein Wunsch, mehr direkten Kontakt zwischen schreibenden und lesenden Frauen zu ermöglichen, führte auch zur Mitgründung der Internetzeitung beziehungsweise-weiterdenken.de, wo sehr flexibel und bleibend Texte und Themen von Frauen präsentiert und diskutiert werden, die immer wieder abgerufen werden können,

Was denkst du ist bei den jungen Frauen* heute anders, wo siehst du Möglichkeiten mit deinem Verlag Brücken zu bauen?

Ich bin von der Neugier auf Erkenntnis bei vielen jungen Frauen überzeugt. Sie werden früher oder später die große Freiheit entdecken, wenn sich das Selbstgedachte und -gefühlte mit der Empfindung zur Welt in Einklang bringen lässt und sie sich aus dem Käfig der patriarchalen Sichtweise befreien. Unsere Bücher sind keine Eintagsfliegen, sondern basieren auf Frauenwissen, das auch nach jetzt 30 Jahren immer noch nutzbar ist und müssen deshalb auch heute noch greifbar sein. Wenn Frauen erst an der Denkstruktur des Verlages erkennen, welche Horizonte sich aus den Büchern erschließen, bleiben sie treue Kundinnen.

Was würdest du dir für die Zukunft des Verlages wünschen?

Mehr Neugier bei den jungen Frauen, aber auch Männern, wissen zu wollen, welche Chancen wir auf gesellschaftliche Veränderungen ohne Gewalt und ohne Krieg für eine gerechtere und menschenfreundlichere Welt haben, eine Welt, in der niemand Angst haben muss und alle sich angenommen fühlen können. Es wird nicht geschenkt, aber die Arbeit daran braucht engagierte Leserinnen und Leser und natürlich auch einen Frauenbuchverlag wie den Christel Göttert Verlag.

Adresse

Christel Göttert Verlag

Keplerring 13
D-65428 Rüsselsheim

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