Reproduktionsmedizin – Fluch oder Segen und für wen?

In den Industrieländern bleibt jedes sechste bis siebte Paar ungewollt kinderlos. Was sind die Ursachen und Auswirkungen dieser Situation? Dieser Artikel soll zu einer umfassenden Aufklärung beitragen.

Studien sprechen davon, dass in den industrialisierten Ländern jedes sechste bis siebte Paar ungewollt kinderlos ist. Eine Auswirkung dieser Situation ist eine große Zunahme von Praxen, die sich auf Fertilisationsbehandlungen spezialisiert haben. Ursache oder Mitursache dieser ungewollten Kinderlosigkeit sind neben späteren Geburten auch die Kontamination unserer Umwelt durch Umweltgifte, insbesondere durch die endokrinen Disruptoren. Sie verschlechtern die Fertilität von Männern und Frauen in dramatischer Weise. Dies wird noch verstärkt dadurch, dass der größte Teil der Frauen heute über Jahre und Jahrzehnte hormonell verhütet hat und ein großer Teil der Frauen nach dem Absetzen der Pille, insbesondere nach einer mehrjährigen Einnahme, Zyklusstörungen hat, sich ihr natürlicher Zyklus nicht wieder richtig einstellt und in manchen Fällen auch zu gynäkologischen Erkrankungen führt wie der sekundären Amenorrhö und dem polyzystische Ovarialsyndrom (POS). Dadurch kann die Fruchtbarkeit der Frau verringert sein bis hin zur Sterilität.
Tritt nach zwei Jahren ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft ein, ist der heute übliche Weg, der den betroffenen Paaren aufgezeigt wird, die Reproduktionsmedizin. Über die Risiken dieser Eingriffe wird nicht beraten und aufgeklärt.

Die Behandlung in den Reproduktionskliniken, euphemistisch auch Kinderwunschzentren genannt

Zuerst findet eine umfangreiche Diagnostik statt. Dabei wird der Hormonstatus beider Partner ermittelt. Bei der Frau wird außerdem die Durchlässigkeit der Eileiter untersucht, sowie nach weiteren möglichen gynäkologischen Erkrankungen hin untersucht wie der Endometriose, die bei 40 Prozent der betroffenen Frauen eine Schwangerschaft verhindert. Beim Mann wird ein Spermiogramm gemacht.

Die verschiedenen Methoden in der Reproduktionsmedizin

Intrauterine Insemination (IUI)

IUI bedeutet Samenzellübertragung in die Gebärmutter und wird bei leichten bis mittelgradige Störungen der Samenzellbewegung und -dichte durchgeführt. Der Weg der Spermien zur Eizelle wird so kürzer, die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung höher. Da bei Einschränkungen der männlichen Fertilität die Zahl der Eizellen, die sich prozentual befruchten, mehr oder minder reduziert ist, wird versucht durch eine Hormonbehandlung mehrere Eizellen „anzubieten”. Voraussetzung für den Erfolg von IUI ist die einigermaßen genaue Festlegung des Zeitpunkts.
Umweltgifte schädigen insbesondere die männliche Fertilität. Bei der Reproduktionsmedizin wird jedoch vor allem der weibliche Zyklus mittel hochdosierter Hormone manipuliert um die Folgen der Umweltgifte auf die männliche Fruchtbarkeit „auszugleichen“.
Die Insemination wird auch eingesetzt, wenn Frauen Probleme mit der Follikelreifung oder dem Eisprung haben. In diesem Fall wird eine sogenannte „gemäßigte Hormonstimulation der Eierstöcke“ (möglichst nur ein Follikel reift heran) verabreicht.

Künstliche Befruchtung: In-vitro-Fertilisation (IVF)

Bei der In-vitro-Fertilisation erfolgt die Befruchtung der Eizelle mit einem Spermium außerhalb des Körpers der zukünftigen Mutter. Zunächst einmal wird die Produktion von möglichst vielen reifen Eizellen mittels Hormongaben provoziert. Zum Zeitpunkt des Eisprungs werden die reifen Eizellen per Punktion entnommen. Die Punktion erfolgt in einer kurzen Vollnarkose. Sind die Eizellen gewonnen und auf Ihre Eignung hin überprüft, erfolgt die Spermiengewinnung. Mittels Masturbation oder mit Hilfe eines Schnittes in den Hodensack werden die Spermien gewonnen, die im Reagenzglas auf die reifen Eizellen treffen. Die Spermien befruchten die Eizellen nun ohne weitere technische Hilfestellung. Bis zu drei befruchtete Eizellen werden in die Gebärmutter (intrauterin) oder in den Eileiter (intratubar) mit Hilfe eines feinen flexiblen Katheters transferiert. Man nennt diesen Vorgang auch Embryonentransfer. Die im natürlichen Zyklus folgende Gelbkörperphase nach dem Eisprung wird in der Reproduktionsmedizin durch die Hormone Gestagen (Gelbkörperhormon) und hCG stabilisiert und überwacht. Diese Form der Reproduktionsmedizin wird auch bei Patientinnen eingesetzt, die aufgrund einer gynäkologischen Erkrankung wie der Endometriose oder verklebten Eileitern nicht schwanger werden. Wenn man/frau sich dabei vergegenwärtigt, dass auch die Endometriose im Verdacht steht durch Umweltgifte wie beispielsweise Dioxin verursacht zu werden, dann wäre eine Vermeidung oder Verringerung dieser in die Umwelt gebrachten Gifte eine sehr viel bessere Alternative.

MESA/TESE

MESA (mikrochirurgische epididymale Spermienaspiration) meint die Gewinnung von Spermien aus dem Nebenhoden. TESE steht für testikuläre Spermienextraktion. Dabei wird eine Gewebeprobe aus dem Hoden entnommen, in der man häufig noch Samenzellen findet. Diese Behandlung wenden Reproduktionsmediziner an, wenn überhaupt kein Spermium im Samenerguss vorhanden ist. Dies kann etwa bei inoperablen Samenleiterverschlüssen oder nach Tumoroperationen der Fall sein. Mittels ICSI werden die Samenzellen dann in die Eizelle injiziert.

Künstliche Befruchtung durch intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Fehlen Spermien im Ejakulat müssen die Samenzellen erst direkt aus den Hoden (testikuläre Spermienextraktion oder TESE) oder Nebenhoden (mikrochirurgische epididymale Spermienaspiration oder MESA) gewonnen werden. In diesen Fällen und bei sehr schlechter Samenqualität injiziert man ein einzelnes Spermium in die zu befruchtende Eizelle. Auch bei dieser Methode werden der Frau nach einer Hormonstimulation mehrere reife Eizellen entnommen. Unter einem speziellen Mikroskop wird dann ein einzelnes Spermium in eine dünne Pipette aufgezogen und direkt in die Eizelle injiziert. Das Verfahren heißt deshalb auch intracytoplasmatische Spermieninjektion, kurz ICSI. Auch hier findet zwei bis drei Tage nach der Befruchtung ein Embryonentransfer statt. Die restlichen Embryonen können durch Kryokonservierung eingefroren werden oder werden weggeworfen.

Zur Kryokonservierung (Einfrieren von Eizellen):
Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet es, mehr als drei befruchtete Eizellen zu Embryonen weiterentwickeln zu lassen. Und es ist die Vorgabe in Deutschland, dass zur Vermeidung von Mehrlingsschwangerschaften bis zum 40. Lebensjahr nur zwei Embryonen zurückgesetzt werden sollen. Dabei kann es sein, dass bei der Befruchtung im Reagenzglas mehr Eizellen übrigbleiben. Dabei handelt es sich um Eizellen, die sich auf dem Wege zur Befruchtung befinden. Bevor die Befruchtung stattfindet, bilden sich in der Eizelle ein männlicher und weiblicher Vorkern, die gut erkannt werden können. Sind sie von guter äußerer Qualität, können diese Vorkernstadien oder imprägnierten Eizellen eingefroren werden. Eine befruchtete Eizelle ist dies noch nicht, die Befruchtung würde erst später durch Verschmelzen der Vorkerne stattfinden. Solche Vorkernstadien überstehen das Einfrieren und Auftauen besser. Hat man imprägnierte Eizellen eingefroren, so können sie für spätere Behandlungszyklen aufgetaut werden – sie befruchten sich dann von allein – und als Embryo eingesetzt werden. Obwohl die Schwangerschaftsrate bei den zuvor eingefrorenen und dann wieder aufgetauten Eizellen geringer ist als bei den frisch durch eine Punktion gewonnenen, benötigt die Patientin keine oder nur eine geringe hormonelle Stimulierung und keine Narkose für die Eizellpunktion. Damit ist die Gesundheitsgefährdung für die Frau wesentlich geringer als bei einem Zyklus mit Hormonstimulation.
Die möglichen Auswirkungen auf ein so gezeugtes Kind sind davon unberührt. Bei Patientinnen, die vor einer Tumorbehandlung durch Chemotherapie oder Bestrahlung stehen werden auch unbefruchtete Eizellen eingefroren um einem späteren Fertilitätsverlust vorzubeugen.

Fish-Analyse

Bei Männern mit stark reduzierter Spermienkonzentration oder/und auffälliger Morphologie kann der Anteil an Chromosomenfehlverteilungen bis zu 30 Prozent betragen. Diese chromosomale Abnormalität wird auf diesem Wege auf den Embryo übertragen. Ein schlechtes Spermiogramm erhöht das Risiko einer Fehlgeburt, verschlechtert die Einnistung des befruchteten Eis und erhöht das Krebsrisiko des so gezeugten Kindes.
Diese Analyse wird gemacht:
• bei Männern mit hochgradiger Oligozoospermie oder OAT Syndrom (zu geringe Zahl an Spermien im Ejakulat mit eingeschränkter Beweglichkeit und Veränderung des Aussehens)
• bei Männern mit Klinefelter Syndrom (eine Chromosomenveränderung mit XXY)
Allerdings ist belegt, dass vor allem Kinder, die durch ICSI gezeugt wurden aufgrund eins sehr schlechten Spermiogramms bzw. einer Oligozoospermie, ein um 47 Prozent erhöhtes Krebsrisiko haben.1 Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass durch ICSI die aufgrund einer genetischen Belastung vorhandenen Sterilität umgangen wird und damit die Genschädigung als erhöhtes Krebsrisiko und der Sterilität des so gezeugten Kindes weitergegeben wird.

Hormone, die bei einer Fertilisationsbehandlung zum Einsatz kommen

Clomifen

Wirkung: Stimulation der Eizellreifung
Clomifen regt die Hirnanhangdrüse dazu an, vermehrt Hormone auszuschütten, die den Follikel stimulieren (Follikelstimulierendes Hormon/FSH). Clomifen wird daher bereits früh im Zyklus eingesetzt und löst eine Eizellreifung an den Eierstöcken aus.
(Mögliche) Nebenwirkungen sind:
Hitzewallungen, Kopfschmerzen, depressive Verstimmungen, Überstimulation. Eine seltene mögliche Nebenwirkung sind Sehstörungen bis hin zu Augenflimmern. Sie sind ein Grund zur sofortigen Beendigung der Therapie, da sie langfristige dauerhafte Schädigungen der Sehfähigkeit zur Folge haben können.
Außerdem hat Clomifen eine lange Halbwertszeit, d.h. einmal im Blut, lässt sich die hormonelle Stimulation der Eierstöcke nicht mehr durch eine Dosiserhöhung oder -senkung steuern. Wegen dieser Nebenwirkungen wird in der Reproduktionsmedizin verstärkt auf Gonadotropine zurückgegriffen. Allerdings wird häufig weiterhin vor allem in der ersten Phase der Kinderwunschbehandlung Clomifen eingesetzt (Stand 2013).

Gonadotropine

Gonadotropine werden vom weiblichen und männlichen Körper auch selbst gebildet und zwar in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Sie aktivieren die Eierstöcke bzw. die Hoden. Zu den Gonadotropinen, die in der Reproduktionsmedizin eingesetzt werden, zählen das Follikelstimulierende Hormon (FSH) und das den Eisprung auslösende Hormon (luteinisierendes Hormon/LH).
(Mögliche) Nebenwirkungen:
Überempfindlichkeitsreaktionen (Hautausschläge, Juckreiz, Fieber), Akne, Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme). Choriongonadotropin wird aus dem Urin schwangerer Frauen gewonnen, daher sind leichte Konzentrationsschwankungen sowie geringe Unterschiede in der biologischen Wirksamkeit der Präparate möglich. Zudem spricht jeder Mensch unterschiedlich auf die Gabe des Wirkstoffs an. Bei Frauen kann es infolge einer Überdosierung zu einer starken Anregung der Hormonbildung in den Eierstöcken kommen. Das gilt insbesondere, wenn zur Stimulierung des Eisprungs gleichzeitig weitere Wirkstoffe wie Clomifen und humanes Menopausen-Gonadotropin (hMG) verabreicht werden. Mögliche Folgen sind Schmerzen und Flüssigkeitsansammlungen in Brust- und Bauchraum, Übelkeit und Erbrechen und die Ausbildung von Zysten (gutartige Geschwülste) in den Eierstöcken. In Einzelfällen können die Zysten so stark wachsen, dass sie platzen und einen lebensbedrohlichen Zustand auslösen. Die Gerinnungsneigung des Bluts kann ansteigen, als Folge ist das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Thrombose) und für Gefäßverschlüsse (Embolie) erhöht.

Gonadotropine im Einzelnen

FSH (Follikelstimulierendes Hormon):
• Wirkung: Stimulation der Eizellreifung
• Mögliche Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Unterleibschmerzen, Unterleibskrämpfe, Völlegefühl, Überstimulationssyndrom, Risiko von Mehrlingsschwangerschaften

hMG (humanes Menopausengonadotropin):
• Wirkung: Stimulation der Eizellreifung
• Mögliche Nebenwirkungen: Überstimulationssyndrom, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Überempfindlichkeitsreaktionen, Risiko von Mehrlingsschwangerschaften

GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon)-Antagonisten:
• Wirkung: Verhindert einen frühen Anstieg von LH (Luteinisierendes Hormon) und damit einen frühen Eisprung.
• Mögliche Nebenwirkungen: Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit

GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon)-Agonisten:
GnRH steht für Gonadotropin Releasing Hormone, also das Hormon, das die Freisetzung der Geschlechtshormone steuert. Die Gegenspieler (= Antagonisten) des körpereigenen GnRH können auch den Anstieg des Eisprung-auslösenden Hormons verhindern. Das Unterdrücken des Eisprungs wird als „Down Regulation“ bezeichnet.
• Wirkung: Verhindert einen zu frühen Eisprung
• Häufige Nebenwirkungen: Nervosität, Hitzewallungen, trockene Schleimhäute, Libidoverlust, Leistungsabfall
GnRH-Agonisten sorgen dafür, dass der Pegel von GnRH dauerhaft ein bestimmtes Level erreicht. Dann produziert der Körper kein eigenes GnRH mehr und die Regelmechanismen für die Bildung des Eisprung-auslösenden Hormons sind gleichsam blockiert.
Sie können große Nebenwirkungen haben, da der natürliche Zyklus komplett unterdrückt wird und damit auch die Bildung von Östrogen. Östrogene sind aber nicht nur weibliche Sexualhormone und zuständig für die Eireifung und den Eisprung, sondern sie sind auch für den gesamten Hormonstoffwechsel, für die Schilddrüse, den Knochenstoffwechsel unabdingbar. Mit den GnRH-Antagonisten werden selbst die nach den Wechseljahren noch vorhandene Östrogene der Nebennierenrinde blockiert.

Humanes Chorion Gonadotropin (hCG):
Das humane Gonadotropin, hCG genannt, ist ein Hormon, welches während einer Schwangerschaft in der Plazenta gebildet wird. Es unterstützt die Einnistung des befruchteten Eis und die Erhaltung der Schwangerschaft indem es das Corpus luteum (Höhle nach dem Eisprung) zur weiteren Bildung von Gestagenen anregt und damit auch während der Schwangerschaft eine weitere Eireifung verhindert. Während Männer und nichtschwangere Frauen eine hCG-Konzentration im Blut von 5 UL/ Liter haben, steigt bei einer schwangeren Frau dieser Wert ab dem fünften Schwangerschaftstag bis zum Maximum in der 9. bis 12. Woche auf bis zu 230 000 IU/ Liter an. Das Hormon hCG wird auch für einen Schwangerschaftstest eingesetzt. Die Erhöhung des hCG-Werts ist im Urin der Frau nachweisbar.
In der Fertilisationsbehandlung wird hCG eingesetzt als Reifungsmittel für das befruchtete Ei (ab einer Mindestgröße von 18 mm). Zusätzlich wird es in geringerer Dosis verabreicht zur Unterstützung der Einnistung und des Erhalts der Schwangerschaft (Handelsnamen: Pradalon, Chorgon).
• Mögliche Nebenwirkungen: Überstimulationssyndrom, allergische Reaktionen

Progesteron / Gelbkörperhormon

Im natürlichen Zyklus der fruchtbaren Frau werden nach dem Eisprung aus dem, das heranreifende Ei umgebenden Höhle (Corpus luteum), 14 Tage lang Gelbkörperhormone gebildet. Diese stoppen den Wachstumsimpuls des anderen weiblichen Sexualhormons, dem Östrogen und bereiten den Körper der Frau auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Im Falle einer eingetretenen Schwangerschaft bildet der Corous luteum bis in den 4. Monat hinein schwangerschaftserhaltende Progesterone.
• Häufige Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, depressive Verstimmung, Libidoverlust, Akne

Risiken der Reproduktionsbehandlung

Geringe Erfolgsaussichten

In den Veröffentlichungen der Reproduktionskliniken wird mit einer Erfolgsquote = Schwangerschaft von 10 bis 25 Prozent (je nach Verfahren) pro Behandlungszyklus geworben. Damit wird suggeriert, man/frau müsse sich dieser Prozedur vier Mal unterwerfen und habe dann eine 100-prozentige Chance auf ein Kind. Dies ist eben nicht so. Gemessen wird bei dieser Darstellung nur das Einnisten des befruchteten Eis, etwaige spätere Aborte sowie Frühgeburten werden nicht erfasst. Und Statistik kann heißen, eine Frau wird beim ersten Zyklus schwanger und bekommt auch ein Kind und eine andere Frau setzt ihre Gesundheit durch vier und mehr Behandlungszyklen aufs Spiel, erlebt aber keine Schwangerschaft und Geburt.

Mehrlingsschwangerschaften

Um den Eintritt einer Schwangerschaft zu verbessern, werden bis zu drei (in Deutschland bei Frauen bis 40 Jahren meistens zwei) befruchtete Eier eingesetzt. Damit entsteht aber das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften.
Eines der großen Risiken von Mehrlingsschwangerschaften ist eine Frühgeburt. Auch wenn sich mit der heutigen medizinischen Versorgung von Frühgeborenen deren Überlebenschance stark verbessert hat, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die durch Reproduktionsmedizin gezeugten Kinder überproportional zu früh geboren werden und sich dadurch das Risiko einer Behinderung und einer Lebenszeitverkürzung dieser Kinder erhöht. In Gesprächen mit Mitarbeiter*innen eines Kinderhospizes wurde berichtet, dass Kinder mit lebensverkürzenden Diagnosen häufiger ihr Leben frühgeboren begonnen haben. Auch für die Mütter bedeutet es eine Zunahme von Schwangerschaftskomplikationen. Kinder, die durch eine Fertilitätsbehandlung gezeugt werden, kommen überproportional durch einen Kaiserschnitt auf die Welt, bei Mehrlingsschwangerschaften ist es Standard.

Überstimulationssyndrom

Zu einem Überstimulationssyndrom kann es kommen, wenn die Eierstöcke durch Hormone zu stark angeregt (stimuliert) werden. Dann bilden sich Wassereinlagerungen im Bauch und im Gewebe, in schweren Fällen steigt die Gefahr von Blutgerinnseln und die Durchblutung der Organe leidet. Das Überstimulationssyndrom tritt zwar selten auf, bedeutet aber für die betroffenen Frauen das Risiko einer lebensbedrohlichen Situation. In der heute praktizierten Reproduktionsbehandlung wird fast monatlich das Programm von hormoneller Stimulation, gezielt ausgelöstem Eissprung und Insemination, IVF oder ICSI eingesetzt. Die Folgen dieser massiven hormonellen Manipulation werden ignoriert oder schöngeredet.

Die Spätfolgen der Überstimulation

Besonders die Eierstöcke werden durch die hormonelle Stimulierung vergrößert und damit erhöht sich das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken.2 Das tatsächliche Risiko für diese Erkrankung ist gering, aber inzwischen ist durch eine Studie eindeutig eine massive Erhöhung festgestellt worden. Nach der unter Medizinern anerkannten Studie von Flora van Leeuwen und ihrem Team steigt das Risiko für eine 55-jährige Patientin, die einmal eine IVF-Therapie erhalten hatte im Vergleich zu Frauen ohne IVF-Behandlung von 0,45 auf 0,71 Prozent. Diese Studie wurde im Zeitraum von 1983 bis 1995 mit 19 146 Frauen durchgeführt. In der Kontrollgruppe mit 6006 Frauen befanden sich ebenso Frauen mit einer eingeschränkten Fruchtbarkeit, die jedoch keine hormonelle Stimulation erhielten.3
Diese Studie berücksichtigte das Risiko, dass durch die hormonelle Stimulation bei IVF entsteht. Die Hormonstimulation im Jahre 2013 ist jedoch weitaus stärker dosiert und sowohl bei Eizellspenderinnen als auch bei Frauen, die sich einer reproduktionsmedizinischen Therapie unterziehen, werden heute höhere Hormondosierungen eingesetzt für eine „maximale Ausbeute“ an Eiern und es werden außerdem ohne Pausen in jedem Zyklus eine hormonelle Stimulation vorgenommen.

Spätfolgen der Hormonbehandlung

Mögliche Spätfolgen sind nicht untersucht. Es ist aber bekannt, dass die hormonelle Stimulation mit Östrogenen eine ganze Reihe von gynäkologischen Erkrankungen sowie Erkrankungen der Brust ansteigen lässt. Das gilt sowohl für Myome der Gebärmutter, Eierstockzysten, Krebs der Gebärmutter als auch Brustkrebs. In einzelnen Fällen haben sich bei Eizellspenderinnen schwere gesundheitliche Folgeerkrankungen eingestellt unter anderem auch der frühe und plötzliche Eintritt in die Menopause mit einem damit einhergehenden hohen Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Hormongaben bedeuten einen massiven Eingriff in den ureigenen Takt aller Stoffwechselvorgänge und bergen langfristig nicht bekannte gesundheitliche Risiken.

Auswirkungen der Reproduktionsmedizin auf das so gezeugte Kind

Bei den durch ICSI gezeugten Kindern hat sich ein statistisch größeres Risiko herausgestellt, im späteren Leben an Krebs zu erkranken. Dazu kommen nicht bekannte Spätfolgen auch auf die seelische Gesundheit des so gezeugten Kindes. Heute beschäftigt sich die Forschung damit, welche Folgen Traumatas der Mutter in der Schwangerschaft für das Ungeborene haben. Man spricht von epigenetischen Auswirkungen. Dazu gehört, dass der natürliche Prozess der Verschmelzung von Eizelle und Samen in der Reproduktionsmedizin verändert ist. Bei einem durch einen lustvollen Geschlechtsakt gezeugten Kind hat das Ei eine aktive Rolle dabei, welches Sperma in sein Inneres gelangen darf und zu einem neuen Leben führt. Bei der künstlichen Befruchtung durch ICSI wird das Ei sozusagen „vergewaltigt“ und dieses so gezeugte Kind kann dadurch durch ein frühes Trauma und zusätzlich ein höheres Krebsrisiko belastet sein. Auch unterscheidet sich das Milieu in der Gebärmutter von dem in der Petrischale. Etwaige Folgen dieses künstlichen Milieus bei der Verschmelzung von Eizelle und Spermium sind ebenso nicht untersucht worden. Allerdings können diese Belastungen durch eine reproduktionsmedizinische Behandlung auch verringert werden, wenn in der Klinik eine soweit möglich geschützte Atmosphäre geschaffen wird und wenn ein zukünftiges Kind nicht durch die Not einer Leihmutter oder Eizellspenderin erkauft wurde.

Risiken für die Eizellspenderin/-verkäuferin

Spenderinnen werden hormonell behandelt, damit sie eine größere Zahl an Eizellen produzieren. Dabei kann es zum bereits beschriebenen Hyperstimulationssyndrom kommen, was zu einer lebensbedrohlichen Situation für die Eizellspenderin führen kann. Das ukrainische Gesundheitsministerium rechnet vor, dass „die Hyperstimulation der Eierstöcke in acht bis 23 Prozent leichte, in einem bis sieben Prozent mittlere und in einem bis 1,8 Prozent der Fälle schwere Folgen“ nach sich zieht. „Vor allem junge ukrainische Frauen verdingen sich als Eizellspenderinnen. Über mögliche Folgen werden Spenderinnen nicht aufgeklärt. So gibt es Frauen, die mehr als 20-mal Eizellen spendeten, die, hormonell überstimuliert, in einem Zyklus 40 Eizellen produzierten. „Der Fruchtbarkeitstourismus führt immer mehr Paare nach Osten. Osteuropa hat sich als Endstation Sehnsucht für Paare aus Westeuropa etabliert. In Tschechien gibt es inzwischen 17 Reproduktionskliniken, in Polen 41, in der Ukraine 19. Ihre Zahl steigt. Sie liefern einen Rohstoff, der teurer ist als Gold und Diamanten. Sie besorgen Eizellen, die sie Spenderinnen für 300 Dollar pro Zyklus abkaufen und die auf dem Weltmarkt zwischen 4000 und 5000 Dollar einbringen…“
Der Generaldirektor der Isdia-Klinik am Stadtrand von Kiew, die sich auf die Vermittlung und Betreuung von Leihmüttern spezialisiert haben, fasst die Standortvorteile der Ukraine auf dem Markt der Reproduktionsmedizin so zusammen. „Wir sind deutlich billiger als die Konkurrenz im Westen. Wir bieten Weltstandard, wir haben schöne Frauen, wir haben Armut. Mit steigendem Lebensniveau werden jedoch auch in der Ukraine die Zahl der Eizellenspenderinnen zurückgehen. Dann werde die Karawane der Kinderwilligen weiterziehen.“ Den Vorwurf, Frauen würden wie Legehennen zu Höchstleistungen bei der Eizellenproduktion angespornt, weist der Klinikchef in dem Artikel „Grenzenlose Fruchtbarkeit“ zurück.4 Die Gesundheit stehe im Vordergrund, das Honorar sei nicht als Bezahlung zu verstehen, sondern als „Kompensation für den Zeitaufwand“. In einem Land, in dem der Durchschnittslohn bei 100 Dollar liegt, sind jedoch 300 bis 500 Dollar ein Argument, die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Die Resolution des Europaparlaments, der zufolge menschliche Zellen nur freiwillig und unentgeltlich gespendet werden dürfen, ist in der Ukraine ohne Bedeutung.

Kinder um welchen Preis?

Der Wunsch, Kinder zu bekommen ist ein ureigenes Menschenrecht und auch ein
Ausdruck von Zukunfts- und Lebensbejahung. Auch die Menschen, die selbst nicht Eltern geworden sind, nehmen an diesem Leben mit Kindern als Teil des gesellschaftlichen Umfelds eines Kindes teil. Wenn die Gesellschaft sich jedoch vorrangig den Zwängen der Leistungsgesellschaft unterwirft, dann ist da wenig Platz für Kinder. Die Folge ist, dass viele Menschen ihren Kinderwunsch aufschieben. Damit ist die fruchtbarste Zeit vieler potentieller Mütter und Väter überschritten (bedingt auch durch all die fruchtbarkeitsschädigenden Umweltgifte) und verlangt den Einsatz der Reproduktionsmedizin. Aber anstatt, dass die Politik ein kinderfreundliches und ökologisch gesundes Umfeld durch eine entsprechende Gesetzgebung fördert, wird die ungewollte Kinderlosigkeit zu einem individuellen Schicksal erklärt und als einziger Ausweg die mit eigenen finanziellen Mitteln mit zu finanzierende Reproduktionsbehandlung in den Fokus gerückt. Man/frau kann sich fragen, warum so leichtfertig mit der Gesundheit so vieler Frauen gespielt wird, warum die Intimität bei der Zeugung eines Kindes aufgehoben wird, warum vor allem Frauen aus den Armutsgebieten unserer globalisierten Welt ihre Fruchtbarkeit mit hohen gesundheitlichen Schädigungen für sich selbst zu Markte tragen und oft tragen müssen.
Die Kinderlosigkeit wird zu einer durch medizinische Technik zu lösender Erkrankung gemacht und aus der Zeugung, Empfängnis und Geburt eines Kindes wird eine Ware. Auf diesem Markt bewegen sich die Käufer und Käuferinnen der medizinischen Technik und eventuell auch des auf Zeit „gemieteten Uterus“ einer Leihmutter oder den meist aus der Not geborenen Eizellverkäuferinnen, die man aus propagandistischen Gründen mit dem schönen Begriff der Spenderin bezeichnet. Weitere Marktteilnehmer sind die allermeisten Reproduktionskliniken, die hier einen maximal profitablen Markt vorfinden. Durch die Kommerzialisierung, die in die Zeugung von Kindern Einzug gehalten hat, ist eine ethische Grenze überschritten worden insbesondere bei der sogenannten Eizellspende und die Leihmutterschaft.
Laut einer Veröffentlichung der investigativen Journalistin Judy Nordirin aus Australien und einer betroffenen Patientin, Miriam Zoll in der Biopolitical Times und der New York Times ist erstmals ein Klinikunternehmen, das auf künstliche Befruchtung spezialisiert ist, an die Börse gegangen. Die Fertilitäts- Industrie ist somit ein Milliarden- Geschäft mit dem Kinderwunsch verzweifelter Frauen und dem sozialen Elend anderer Frauen geworden.
„Das Klinikunternehmen «Virtus Health», dessen Aktien nun an der Börse gehandelt werden, betreibt in Australien 36 Kliniken für künstliche Befruchtungen. Mehr als ein Drittel aller In-Vitro- Fertilisationen (IVF) in Australien findet in einer dieser Kliniken statt. «Virtus Health» steht jetzt unter dem Druck der Investoren, Wachstum und Gewinne zu erzielen. Es könnte zum Beispiel den Gewinn schmälern, wenn dank besserer Technik weniger Behandlungs-Zyklen nötig würden. Der Konzern könnte auch versucht sein, die bescheidenen Erfolgsraten von Zeugungen im Reagenzglas schöner darzustellen, um Investoren nicht abzuschrecken. Geschönte Zahlen könnten bei Frauen, die sich ein Kind wünschen, unrealistische Hoffnungen nähren, schreiben Judy Norsigian und Miriam Zoll.“5
Es ist sehr großes Leid, wenn der Kinderwunsch eines Menschen unerfüllt bleibt und es ist nur zu verständlich, wenn die Betroffenen den Lockrufen der Kinderwunschpraxen folgen. Allerdings könnte es für dieses Drama auch ganz andere Lösungsmöglichkeiten geben, bei denen die Politik aufgefordert wird die Vergiftung unserer Umwelt zu beenden und das Leben kinderfreundlicher organisiert wird sowie wir unserer Verantwortung in einer globalisierten Welt für ein menschliches Miteinander wahrnehmen. Spätestens bei der Anmietung einer Leihmutter oder dem Kauf von Eizellen sollten wir für die Erfüllung unseres Kinderwunsches andere Wege gehen.

Dieser Artikel erschien in der Fachzeitschrift LACHESIS Lachesis Ausgabe Nr. Zeitschrift Nr. 43 „Kinder – Wunsch und Wirklichkeiten“ und in dem Buch von Doris Braune „Frauen Heilkunde Band I – Der weibliche Zyklus“ im Bellis-Verlag. Die Zeitschrift kann beim Berufsverband für Heilpraktikerinnen LACHESIS bestellt werden und das Buch ist erhältlich beim Bellis-Verlag:

Quellen:
1 Martina Leuzen-Schulte: Krank aus der Retorte. www.spektrum.de; 1.12.2003.
2 Sofia Weimer: Hormontherapie erhöht das Risiko für Eierstockkrebs. Die Welt vom 27.10.11- dpa/AK © Axel Springer SE 2013.
3 https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/kuenstliche-befruchtung-hormongabe-koennte-wachstum-seltener-tumore-foerdern-a-794228.html
4 Jens Hartmann & Evgeni Rybka Grenzenlose Fruchtbarkeit. Welt am Sonntag vom 3.9.2006.
5 Barbara Marti: Zunehmende Kommerzialisierung des Kinderwunschs. https://www.infosperber.ch/frau-mann/reproduktions-technologie/zunehmende-kommerzialisierung-des-kinderwunschs/

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