Ein paar Gedanken in eigener Sache: Doris Braune, Vorständin bei Lachesis e. V., zur aktuellen Geschlechterdebatte

Ist die binäre Aufteilung in männlich und weiblich sinnvoll, ja notwendig? Was bedeutet sie für die Frauenheilkunde? Doris Braune, Vorständin bei Lachesis e. V., analysiert den aktuellen Diskurs aus ihrer feministisch-naturheilkundlichen Sicht und steht ein für eine wertschätzende Haltung zu jedem Menschenkörper.

Ich denke, das Hinterfragen der binären Aufteilung in männlich und weiblich ist notwendig, denn alles, was wir dem Männlichen beziehungsweise dem Weiblichen zuschreiben, ist eher eine Ansammlung von Mythen, geboren aus dem Zeitgeist, unserer Art des Wirtschaftens, der gesellschaftlichen Organisation und dem allgemein anerkannten Wertesystem. Behauptungen, in der Steinzeit hätten die Männer gejagt und die Frauen seien am Feuer gesessen, sind ausschließlich Projektionen. Dass Frauen schwächer sind als Männer und kleiner, ist mit großer Wahrscheinlichkeit der schlechteren Ernährung von Frauen geschuldet ab der Bronzezeit, also ab der Frühform kapitalistischer Organisationsformen. Wenn all diese Zuschreibungen und Mythen beiseitegelassen werden, dann gibt es biologisch zwei Geschlechter. Die Hälfte verfügt über weibliche Geschlechtsorgane, Gebärfähigkeit und eine Hormonsteuerung, durch die in der zyklischen Lebensphase dominanten Sexualhormone Östrogene und Gestagene. Abgesehen davon, dass diese genetisch determinierte biologische Ausstattung auf die Reproduktion bezogen biologisch verschiedene Fähigkeiten bedeutet (XX-Chromosomen = Gebärfähigkeit, XY-Chromosomen = Zeugungsfähigkeit), ist davon auszugehen, dass das meiste der Zuschreibungen zum jeweiligen binären Geschlecht sich kulturell entwickelt hat und nicht in erster Linie eine Frage des Geschlechts ist. Jeder Mensch, egal ob mit den Geschlechtschromosomen XX oder XY, durchläuft in seinem Leben hormonell unterschiedliche Phasen. Im Alter sind Menschen mit dem Chromosomen XY (Männer) stärker beeinflusst durch das auch in ihrem Körper wirksame weibliche Sexualhormon Östrogen, denn biologisch sinkt beim älter werdenden Mann das die männliche Ausprägung unterstützende Sexualhormon Testosteron. Das heißt, die hormonelle Balance verschiebt sich ganz allgemein in Richtung ihrer weiblichen Seite. Und umgekehrt ist bei Frauen nach der Menopause die Balance zwischen dem weiblichen Sexualhormon Östrogen und Testosteron mehr zugunsten des Testosterons verschoben. Es lässt sich also sagen, dass jeder Mensch, auch hormonell gesehen, verschiedene Phasen des „männlichen und weiblichen Seins“ durchlebt. Trotzdem bleibt der Testosteronspiegel bei einem sehr femininen Mann immer noch sehr viel höher als bei einer Frau nach der Menopause, also in der Lebensphase mit dem nicht krankheitsrelevanten relativ höchsten Testosteronspiegel im Verhältnis zum Östrogenspiegel. Entsprechend dem biologischen binären Geschlecht bewegt sich der Hormonspiegel einer Frau immer in dem für das weibliche Geschlecht sinnvollen Hormonspiegel, und beim Mann ebenso. Ein über diese sinnvolle biologische Grenze hinausgehender Testosteronspiegel bei einer Frau, besonders in ihrer zyklischen Zeit, führt zu Erkrankungen wie dem polyzystischen Ovarialsyndrom und einem erheblichen größeren Risiko für Diabetes mellitus, um nur einige der Folgewirkungen zu nennen. Ein für den männlichen Körper zu hoher Östrogenspiegel führt zu Depressionen, dem Verlust der Erektionsfähigkeit und einem Schwund der Muskelmasse bei gleichzeitiger Zunahme von Bauchfett.

Patriarchale Normen

Die Abwertung von Frauen, die eine Geschichte von ungefähr 5000 Jahren hat, ist von Anfang an begründet worden über den im Verhältnis zu Männern biologisch anderen Körper. Es ist das Menstruationstabu, dass Frauen seit 5000 Jahren unter der Knute hält und es ist ihre Gebärfähigkeit, die das Patriarchat kontrollieren will. Während der Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit ist eine Frau auf den Schutz ihrer Gemeinschaft angewiesen, wie jedes weibliche Säugetier. Das Patriarchat bietet diesen Schutz, aber unter der Bedingung, dass sich die Frauen den Regeln des Patriarchats unterwerfen müssen. Das ist auch heute noch so, auch wenn das alles sehr subtil daherkommt, jedenfalls, wenn frau eine Vertreterin der weißen gebildeten Mittelschicht ist. In der südafrikanischen Apartheitsgesellschaft betraf der Sexismus sowohl die Ehefrau des Großgrundbesitzers als auch die schwarze Sklavin, aber die Aneignung des Körpers der schwarzen Sklavin war von einer massiven und zusätzlichen Gewalt belastet. Ich lasse mal die Vergewaltigungen und sonstigen Grausamkeiten weg. Aber alleine, dass die schwarze Frau das Kind der Weißen stillen musste, war die Aneignung ihrer reproduktiven Möglichkeiten. Heute findet diese Aneignung weiterhin statt – angeblich freiwillig – indem arme Frauen des Globalen Südens oder den verarmten Regionen in Osteuropa Paaren in reichen Ländern ihre Körper als Leihmütter sklavenähnlich zur Verfügung stellen müssen, um überleben zu können. Sexismus ist eine sehr bösartige Methode, um das Recht behaupten zu können, sich einen angeblich unterlegenen Körper mit all seinen Möglichkeiten aneignen zu können. Und der Rassismus verschärft diese Unmenschlichkeit weiter. Für mich bedeutet Feminismus, diesen patriarchalen Blick auf biologisch weibliche Menschen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Im Übrigen wünsche ich persönlich keine Gleichberechtigung in einer vom Patriarchat definierten Welt, sondern eine schwesterliche und brüderliche Gemeinschaft der Menschen, die Ausbeutung, Versklavung, Gewalt und Krieg ablehnt, und sich einsetzt für ein hierarchiefreies Miteinander. Für mich heißt Feminismus, an die Regeln der matrilinearen Muttergesellschaften anzuknüpfen, wo es keine Herrschaft einer Gruppe über eine andere, eines Geschlechts über das andere gibt. Mir ist bewusst, dass es trotz vieler Funde – wie die mehr als 10 000 Jahre unterschiedlich datierten Venusfiguren der Jungsteinzeit bis hin zu den Entdeckungen der neolithischen Zeit – die Behauptung gibt, es habe nie solche matrilinearen Gesellschaften gegeben. Aber lange erzwang eine jeweils herrschende Gesellschaftsform ihre Sicht auf die Welt und die Gesellschaft. Man erinnere sich nur an die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe. In einem Artikel der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ vom 1. Juli 2025 wird über eine im Fachjournal „Science“ veröffentlichte Studie berichtet, die anhand von 9 500 Jahre alter menschlicher DNA herausfinden konnte, dass Frauen in der neolithischen Epoche eine entscheidende Rolle in ihrer Gesellschaft eingenommen hatten. Bei Ausgrabungen in dieser frühen Stadt namens Catalhöyük in der Konga-Ebene im südlichen Anatolien/Türkei zeigte sich anhand der Untersuchung der mitochondrialen DNA von 131 menschlichen Überresten eine bemerkenswerte Geschichte von stabilen Verwandtschaftsmustern und einer überraschend starken Betonung weiblicher Abstammungslinien über viele Jahrhunderte hinweg. Dies belegt, dass die Menschen im Haus der Mutter lebten und die weibliche Verwandtschaft eine zentrale Rolle in der Verwandtschaftsstruktur hatte. Eine solche Gesellschaftsstruktur wird als matrilinear bezeichnet. Dazu muss man anmerken, dass der spezifische Anteil unseres Erbgutes, die mitochondriale DNA, ausschließlich über die mütterliche Linie vererbt wird, vom Beginn der Menschheit an. Auch in Catalhöyük wurden Venusfiguren gefunden, die die Bedeutung der Frauen in ihrer Gesellschaft widerspiegeln.

Freundliche Kommunikation

Mit einem modernen Begriff könnte man auch sagen, es geht um eine gewaltfreie Kommunikation. Bei der Diskussion darüber, wer damit gemeint ist, wenn von Frauenheilkunde die Rede ist, verflüchtigt sich die freundliche Kommunikation in Windeseile. Das Mindeste ist also, zu definieren, was meinen wir mit dem Begriff „Frau“ und an wen richten wir uns beim jeweiligen Angebot oder Thema. Und da finde ich Begriffe wie „Mensch mit Vulva“ oder „Mensch mit Gebärmutter“ abwertend und auch falsch, denn das Patriarchat hat meiner und der vieler Feministinnen Meinung nach die Gesamtheit des weiblichen Körpers genommen, um daraus eine dem Mann unterlegene und damit ausbeutbare Klasse zu machen (siehe Sulamith Firestone – sie war eine in Kanada geborene amerikanische Schriftstellerin und eine der prominentesten und einflussreichsten Theoretikerinnen der internationalen Frauenbewegungen der 1970er Jahre). Die Definition von Patriarchat ist eine Gesellschaftsform, bei der der Mann eine bevorzugte Stellung in Staat und Familie innehat und bei der in Erbfolge und sozialer Stellung die männliche Linie ausschlaggebend ist und Frauen von Männern beziehungsweise Vätern unterdrückt, kontrolliert und repräsentiert werden. Wir leben heute in Deutschland in einem Patriarchat, in dem Frauen Männern rechtlich gleichgestellt sind, aber an den Hebeln der Macht überwiegend Männer sitzen und weiterhin beispielsweise der Männerkörper die Norm, der Frauenkörper die Abweichung ist. Eine völlig natürliche Lebensphase bei Frauen, die Zeit nach der Fruchtbarkeit, wird pathologisiert, seit es möglich ist in die Physiologie des weiblichen Körpers einzugreifen. Auf einem Endokrinologen-Kongress 2003 in Wien wurde allen Ernstes als wissenschaftlich bestätigt die Behauptung in die Welt gesetzt, die Lebensphase nach der Menopause sei ein Fehler der Natur und müsse deswegen wie eine Erkrankung zeitlebens mit künstlichen Hormonen behandelt werden. All dies richtet sich immer gegen biologische Frauen. Die Differenzierung, welcher Körper ist die Norm und welcher nicht, wird anhand der biologischen Gegebenheiten unterschieden. Die Menschen, die die Kinder austragen und gebären, die in ihrer zyklischen Zeit monatlich menstruieren, in deren ungefähr 37 Billionen Zellen das Chromosomenpaar XX vorhanden ist, werden als Frau bezeichnet, in allen Sprachen der Welt. Auch in einem eher subtilen Patriarchat wie unserer heutigen Gesellschaft haben Frauen ab dem Moment schlechtere Karrierechancen, schlechtere Bezahlung und ein erheblich höheres Risiko für Altersarmut, wenn sie Mütter werden. Das Patriarchat ist nicht die Schuld der Männer, denn sie werden zwar mit einem biologisch männlichen Körper geboren, aber sie tragen zunächst Mal keine Schuld an dieser Rollenverteilung. Schuld laden sie erst dann auf sich, wenn sie an dieser Rollenverteilung festhalten auch gegen die Rechte von Frauen, ihrer Partnerin, Tochter, Kollegin.

Wenig zielführend ist es jedoch, wenn der Diskurs so verengt wird, dass die Position, eine Frau ist ein Mensch mit einem biologisch weiblichen Körper als Hassrede und transfeindlich aus dem Diskurs ausgegrenzt wird. Wenn zugelassen wird, dass Feministinnen bedroht und diffamiert werden, dann hat das nichts mehr mit einer wertschätzenden Kommunikation zu tun. Feministinnen wie Alice Schwarzer werden als TERFS diffamiert und selbst die Nobelpreisträgerin für Medizin von 1995, Christiane Nüsslein-Volhard, wird beschimpft und verächtlich gemacht, nachdem sie sagte, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt. Transfrauen sind nicht die Adressatinnen bei der Frauenheilkunde. Natürlich ist es Feministinnen nicht egal, wie mit ihnen umgegangen wird, aber mir ist es auch nicht egal, wie es jungen und alten so bezeichneten Cis-Männern gesundheitlich und insgesamt geht. Denn das sind unsere Söhne, Enkel, Väter, Onkel, Brüder; und wenn wir in einer heterosexuellen Partnerschaft sind, unsere Männer. Dazu braucht es auch biologisches Wissen und sie verdienen genauso eine gute Medizin.

In welcher Sprache, in welcher Schreibweise kann ich mich verständlich machen?

Im 2017 erschienenen ersten Band I Frauen Heilkunde habe ich in dem Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache, die Frauen miteinbezieht, die Schreibweise mit dem Binnen-I verwendet. Im 2020 veröffentlichten 2. Band bin ich auf die Schreibweise mit dem Asterix-Stern umgestiegen, zum einen, weil ich diese Schreibweise schöner fand, zum anderen, weil ich mich in vielen aufregenden, belebenden Diskussionen mit jungen Feministinnen befand und ihren Ansatz, alle einbeziehen zu wollen, inklusiv zu sein, gut fand. Ich bat einige der jungen Feministinnen, das Vorwort für diesen zweiten Band zu schreiben. Unter anderem heißt es darin, wenn sich jemand als Frau fühlt, dann ist sie eine. Mir gefiel ihr Herangehen, denn schon seit ich ein junges Mädchen war, empfand ich die Rollenaufteilung je nach Geschlecht absurd und sexistisch. Aber obwohl es Ende der 60ger Jahre eine durch und durch patriarchale Rollenaufteilung gab, die sich in entsprechender Gesetzgebung niederschlug, so beispielsweise, dass verheiratete Frauen nur mit Zustimmung ihres Ehemanns ein Konto eröffnen oder eine Arbeit aufnehmen durften, erlebte ich weder in meiner Familie noch im sozialen Umfeld eine Abwertung aufgrund meines Geschlechts. Ich erlebte vielmehr, dass diese vom Krieg traumatisierten Menschen, egal ob Männer oder Frauen, einander dringend brauchten, um zu leben, um zu überleben. Wahrscheinlich hatte ich die vielen Folgen patriarchaler Strukturen nicht wahrgenommen, hatte ich doch die mich umgebenden Frauen als starke Persönlichkeiten erlebt Trotzdem waren die ganze patriarchale Gesetzgebung und Rollenaufteilung bestimmt davon, ob ein Mensch einen biologisch weiblichen Körper hat oder einen männlichen. Besonders in Erinnerung ist mit geblieben, dass die Physiologie des weiblichen Körpers, vor allem die Menstruation, als schmutzige, als unreine Zeit gebrandmarkt war. Völlig egal, wie sich ein Mädchen, eine Frau fühlte mit diesem Körper und dem, wie er funktionierte, war sie per se minderwertiger als ein männlicher Mensch. So funktioniert Sexismus ebenso wie auch Rassismus, indem ein unveränderbares Merkmal, beispielsweise die Hautfarbe oder eben ein Körpermerkmal wie weibliche Brüste oder ein physiologischer Prozess wie die Menstruation, dazu herhalten musste und muss, Menschen in Klassen einzuteilen, in ein Unten und Oben, in eine Begründung für Herrschaft der einen Klasse über die andere.

„Pädagogik der Unterdrückten – Bildung als Praxis der Freiheit“

2023 veröffentlichte ich als Herausgeberin zusammen mit der indigenen Organisation OMIECH aus Chiapas/Mexiko das Buch „Frauenheilkunde der Maya“, in dem acht ihrer zuvor auf Spanisch veröffentlichten Broschüren ins Deutsche übersetzt von unserem Verlag veröffentlicht wurden. Es war mir sehr wichtig, sowenig wie möglich in ihre Sprache einzugreifen, auch nicht in Hinblick auf eine geschlechtergerechte Sprache. Ich hätte es wie eine Aneignung ihrer Texte empfunden. In der gleichen Zeit entwickelte sich aus meiner Sicht ein Kommunikationsstil in feministischen Zusammenhängen, der die gesellschaftliche Polarisierung stetig vorantrieb. Ich kann mich noch gut erinnern, ab wann ich diese Debatten als übergriffig und spaltend empfunden habe. Das erste Mal war es, als ich von jungen Feministinnen aufgefordert wurde, in einem Text den Begriff „Muttermilch“ doch zu ersetzen durch „Menschenmilch“, sonst würde ich Transmänner verletzen, die sich ja nicht als Mutter, sondern als Vater fühlten. In dieser polarisierten Welt war es auf einmal kaum noch möglich zu diskutieren, dass das Patriarchat das Recht auf Herrschaft über weibliche Menschen ausschließlich über ihren weiblichen Körper, die Menstruation, die Gebärfähigkeit begründet hat. Und der Kampf der Frauen richtete sich seit jeher dagegen, aufgrund des weiblichen Körpers als weniger wert behandelt zu werden. Ein indigener Freund aus Chiapas, Agripino Ico Bautista, erzählte mir vor vielen Jahren von ihrem Kampf um den Erhalt der vielen indigenen Sprachen in ihrer Region: „Weißt du, wenn es eine Sprache nicht mehr gibt, sind die in der Sprache gespeicherten Erfahrungen verschwunden.“ Diese Ansicht vertrat auch der weltweit und vielfach ausgezeichnete brasilianische Pädagoge Paolo Freire (1921 -1997), dass nämlich Sprache auf der realen Lebensrealität beruht, und wenn sich die Sprache nicht mit dem Erleben deckt, Menschen ihre Welt nicht erklären und sie schon gar nicht verändern können. Paolo Freie erkannte damals, dass Menschen beispielsweise in Slums oder auch im brasilianischen Urwald nicht fähig waren, lesen und schreiben zu lernen, wenn sie zu dem Wort, das sie lernen sollten zu lesen, kein inneres Bild hatten. Und ein inneres Bild setzt voraus, das es in der eigenen Erfahrungswelt vorkommt. Also beispielsweise, wenn Lehrmaterial eingesetzt wurde bei indigenen, abgeschieden lebenden Völkern, in denen sie mit Bildern von Straßenbahnen, Autos etcera konfrontiert waren, die sie nicht kannten und wozu es in ihrer Sprache keine Begriffe gab. Durch seine Methode, die er in dem Buch „Pädagogik der Unterdrückten – Bildung als Praxis der Freiheit“ niederschrieb, zeigte er den Zusammenhang auf, dass die Lese- und Schreibfähigkeit und die Fähigkeit, selbstbestimmt und frei zu werden, davon abhängt, dass die eigene Welt richtig beschrieben ist. Nun könnte frau sagen, dass es für einen Transmann wichtig ist, anstelle von „Muttermilch“ das Wort „Menschenmilch“, anstelle von „Stillen“ von „Brustfütterung“ zu verwenden. Aber wie kann man die Erfahrung der Hälfte der Menschheit auslöschen, dass nämlich nur eine biologische Frau ausgestattet ist mit den weiblichen Brustdrüsen, die Muttermilch produzieren können? Wenn ein Transmann sich entscheidet, schwanger zu werden, wenn das aufgrund der vorherigen Einnahme von männlichen Sexualhormonen überhaupt möglich ist, dann kann ein Kind nur in einem biologisch weiblichen Körper heranreifen und an einer biologisch weiblichen Brust mit Muttermilch gefüttert werden. Diesen Kontext sprachlich unsichtbar zu machen, hat aus meiner Sicht fatale Konsequenzen. Eine geschlechtergerechtere Welt möglich zu machen, bedeutet, dass die Sprache die Realität, die Erfahrungen der Menschen richtig abbildet. Es gibt mittlerweile viele Begriffe, die geeignet sind, zu Verwirrung und Polarisierung beizutragen. Das geht mir so, wenn ich solche Worte höre wie „Leihmutter“, als könne man sich eine Mutter leihen. Oder auch „Eizellspende“, in der das schreckliche Warenverhältnis verkaufter menschlicher Eizellen semantisch unsichtbar gemacht wird. Eine ungewollte Schwangerschaft erleben biologische Frauen, die Beschämung durch Menstruationsblut ebenso, Kinder wachsen im Körper einer biologischen Frau heran, nur sie kann eine Geburt erleben. Die biologischen Unterschiede aufgrund des Geschlechts werden in den verschiedenen Kapiteln von Band III genauer beschrieben, so zum Beispiel, dass Frauen ein stärkeres angeborenes Immunsystem haben, was sich aber bei einer Medizin, die das Geschlecht nicht in Forschung und Lehre einbezieht, als sehr negativ und gesundheitsschädlich für die Frauen herausstellt. Wechseljahre, das heißt, die hormonelle Umstellung und ein klares Ende der Fruchtbarkeit, ist ein Erleben, das nur biologische Frauen haben können. Die Wechseljahre sind ein natürlicher Prozess im Leben einer Frau, weder gut noch schlecht, so wie das Älter- und Altwerden weder gut noch schlecht, sondern eine Realität unserer menschlichen Existenz ist. Wenn die Worte, die dieses Erleben beschreiben, verschwinden, wird auch das eigene Erleben enteignet. Die Entscheidungsmöglichkeit, wie eine Frau mit dieser Lebensphase umgeht, wird, ohne dass sie beschrieben werden kann, verringert. Wenn dann ein Gynäkologe um die Ecke kommt, der ihr Hormontherapien und anderes nahelegt, so ist eine Frau ohne Sprache für das, was sie erlebt, manipulierbar.

Ende 2024 wurde das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland durch die Ampel erlassen, in dem jeder Mensch seinen Geschlechtseintrag nach seinem gefühlten Geschlecht ändern kann. Nicht bedacht wurde dabei, was dies für bestimmte Frauenschutzräume bedeuten kann. Frauenhäuser wurden geschaffen, weil es viel Gewalt gab und gibt gegen Frauen. Natürlich erleben auch Männer Gewalt, auch durch Frauen, aber am ehesten in ihrer verletzlichsten Lebensphase als Kinder. In der realen Welt erleben überwiegend Frauen Gewalt in der Partnerschaft, sind es Frauen, die vom Partner oder Ex-Partner ermordet werden, werden Frauen von Männern vergewaltigt und so weiter; wobei es prozentual wenige Männer sind, die diese Verbrechen verüben. Aufgrund dieser Realität hatte die Frauenbewegung Frauenhäuser aufgebaut, entstanden viele Einrichtungen, die wichtig waren und sind, um Frauen zu schützen. Wenn sich da ein Transmann hinbegibt, soll er diesen Schutz auch bekommen, ohne dass aus einem Frauenhaus sprachlich ein Menschenhaus wird. Wenn eine Transfrau dort Einlass begehrt, dann wäre es das Mindeste, allen anwesenden Frauen dort die Entscheidung zu überlassen und nicht den Mitarbeiterinnen oder der Leitung, ob das für sie vorstellbar ist. Und eigentlich ist es dann eine gesellschaftliche Aufgabe, eigene Schutzräume zu schaffen für die von Gewalt bedrohten Transfrauen. Gesetze sind Regeln für alle. Es muss gut hinterfragt werden, ob diese Regeln nicht missbraucht werden können, und wenn das so ist, dann braucht das Gesetz eine Anpassung oder es muss abgeschafft werden.

Zurück zum Thema der Sprache. Meine anfängliche Freude über den Asterix-Stern ist verschwunden. Wen meine ich beispielsweise, wenn ich von Ärzt*innen oder Patient*innen spreche? Ich will niemand ausschließen. Aber ich will auch nicht teilhaben an einer Sprache, die im Widerspruch steht zu dem Erleben als biologische Frau. Wenn die Sprache, die die Wirklichkeit bezeichnet, nicht mehr gesprochen wird, verschwindet dadurch die Fähigkeit, die Welt zu benennen, sie zu verstehen und in ihr handlungsmächtig zu sein. Ich war in der Schreibphase an diesem Buch hin- und hergerissen, ob ich zum Binnen-I zurückkehren oder beim Asterix-Stern bleiben sollte. Ich bin beim Asterix-Stern geblieben, weil mir diese Schreibweise gefällt, weil ich gerne lieber inkludiere und verbinde als unnötige Polarisierung zu schaffen. Aber der Begriff „Frau“ bedeutet für mich eine biologisch weibliche Person, Muttermilch ist die Milch einer Mutter, Frauen haben eine Gebärmutter und bluten in ihrer zyklischen Zeit.

Haben Rosa und Blau ein Geschlecht?

Frauenheilkunde kümmert sich um den Körper biologischer Frauen, die einer unsäglichen patriarchalen Medizin und ihren Normen ausgesetzt sind. Eine Transfrau hat, auch wenn sie Östrogene einnimmt, niemals das Erleben eines Körpers, der zyklisch ist. Sie wird keine Myome an der Gebärmutter haben, keine Endometriose, kein PCO-Syndrom. Sie wird nicht die Scham erleben, wenn die Binden oder Tampons das Blut nicht mehr halten können aufgrund zum Beispiel ihres Myoms, das die Kontraktion der Gebärmutter behindert, und die betroffenen Frauen in großer Zahl schließlich dazu bringt, sich die Gebärmutter entfernen zu lassen (15 000 Gebärmütter jedes Jahr in Deutschland). Transfrauen können kein Kind austragen und gebären, können nicht stillen. Es gibt Berichte, dass Transfrauen auch stillen könnten, aber bei genauerer Betrachtung muss diese Flüssigkeit durch hohe Dosen des Medikaments Domperidon ausgelöst werden und unterscheidet sich von Muttermilch unter anderem darin, dass das Medikament in die Muttermilch ausgeschieden wird. Bei gestillten Säuglingen können Nebenwirkungen wie Krämpfe und insbesondere solche, die das Herz betreffen, nicht ausgeschlossen werden. Ich sehe auch, dass vor allem viele junge Feministinnen ihren Weg suchen müssen und sie dafür auch einen Raum brauchen. Aber auch die alten (und einige junge) Feministinnen, die vom biologischen Geschlecht ausgehen, haben das Recht, einen Raum für ihre Gedanken und Positionen zu haben, ohne als TERF diffamiert und angegriffen zu werden. Wir können nur auf dieser Erde leben mit einem Körper, und dieser Körper ist real. Und er ist verletzlich. Die dauerhafte Einnahme von Medikamenten oder Hormonen, die der Körper für seine Funktionsfähigkeit nicht benötigt, hat die Funktion des Körpers störende und krankmachende Auswirkung. Wir unterliegen, ob wir das wollen oder nicht, einem biologischen Programm zu dem beispielsweise unsere Endlichkeit gehört. Dieser Körper benötigt Nahrung, Schlaf, Luft zum Atmen; und entsprechend der genetischen Ausstattung in Bezug auf das Geschlecht wirken sich die äußeren Faktoren unterschiedlich auf den Körper aus. So wird die DNA unserer Mitochondrien, den Kraftwerken in unseren Zellen, ausschließlich über die mütterliche Linie vererbt. Die wenigen Menschen, die anstelle von XX oder XY die Geschlechtschromosomen XXY (und andere Varianten der intersexuellen Entwicklung) aufweisen, definieren nicht eine dritte Kategorie von Geschlecht. Absolut nachvollziehbar für mich ist, dass es bei vielen, vor allem jüngeren Frauen eine Wut gibt, über die biologische Ausstattung des eigenen Körpers, des Geschlechts, eine im Patriarchat erdachte und untergeordnete Rolle zugewiesen zu bekommen. Dass Frauen Kinder gebären können, macht sie nicht unfähig, Bundeskanzlerin zu werden. Dass Männer keine gebären, sondern nur zeugen können, macht sie nicht unfähig, wunderbare Erzieher zu sein. Rosa ist keine naturgemäße Farbe für Mädchen, und blau nicht für Jungs. Noch 1918 galt rosa als die Farbe für Jungs und blau für Mädchen. Blau war die Farbe der Jungfrau Maria und der 1897 gegründete Fußballverein Juventus Turin hatte für seine Spieler rosa Trikots. Ist aber eine Rolle ganz negativ behaftet, also in der patriarchalen Logik die weibliche Rolle, dann resultiert daraus eine Ordnung, die geprägt ist von negativen Zuschreibungen einer Seite aller Menschen, also des weiblichen Anteils eines jeden Menschen. In vielen alten Kulturen werden Menschen oft zweigeteilt dargestellt, männlich und weiblich. Wir sollten uns alle im Klaren sein, dass die Herabwürdigung eines Teils uns alle herabwürdigt.

Worum es in der Frauenheilkunde geht

Unabhängig davon geht es in der Frauenheilkunde darum, die durch die XX-Gonosomen herausgebildeten Organe wie die Gebärmutter, die Eierstöcke oder physiologisch den weiblichen Zyklus zu betrachten, und bei Beschwerden und Erkrankungen hilfreiche Behandlungskonzepte zu entwickeln. Die weibliche Unfruchtbarkeit braucht andere Mittel als die männliche Zeugungsunfähigkeit. Die Blase einer Frau erkrankt anders, alleine weil die weiblichen Sexualhormone andere gesundheitliche Beschwerden auslösen können. Das gilt genauso für die Schilddrüse. Selbst das Immunsystem von Männern und Frauen weist große Unterschiede auf. Frauen haben ein aktiveres und stärkeres Immunsystem, was evolutionär Sinn macht, da sich ein Kind im Mutterleib entwickelt und gut geschützt sein muss. Der Grund für das stärkere Immunsystem von Frauen liegt biologisch daran, dass viele der Gene, die das Immunsystem regulieren, ausschließlich auf dem X-Chromosom liegen, und die Immunzellen bei Frauen Gene auf den beiden X-Chromosomen ablesen können. Sie werden sozusagen doppelt unterstützt. Die Schattenseite dieses stärkeren Immunsystems ist das größere Risiko für Frauen, Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Multiple Sklerose oder Diabetes Typ I zu entwickeln, und sie ein höheres Risiko haben, durch Impfungen einen Zytokin-Sturm (eine gefährliche Überreaktion des Immunsystems) zu erleiden. Das grundsätzliche Hinterfragen in Bezug auf das Geschlecht, bei der Biologie und Geschlechterrollen zu einem Brei verrührt werden, könnte durchaus den Blick auf eine jedem Menschenkörper gegenüber wertschätzender Haltung öffnen.

Die Bücher der Autorin Doris Braune können auf der Webseite des Bellis-Verlags bestellt werden:

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